Beitrag von Serdar Yazar (ADNB des TBB)
Dem ADNB des TBB werden wiederholt Beschwerden von “Men Of Color” gemeldet, die in der Berliner Nachtszene mit Einlassverweigerungen durch das Sicherheitspersonal von Diskotheken oder Bars konfrontiert werden. Nur selten können Indizien festgehalten werden, die auf eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hindeuten.
Kein Einlass wegen türkischem Namen
Unser Beschwerdeführer (BF) geht mit 12 Freund/innen in eine Berliner Diskothek. Alle seine Freund/innen werden von den beiden Türstehern nach einer kurzen Ausweiskontrolle problemlos hereingelassen. Als der BF seinen (deutschen) Ausweis vorzeigt und dieser von einem der beiden Türsteher sehr gründlich untersucht wird, wird ihm mitgeteilt, dass er nicht herein dürfe. Daraufhin fragt der BF, ob der Grund für den verwehrten Einlass sein türkischer Name ist, woraufhin der Türsteher mit „ja“ antwortet. Er fragt erneut, mit der Absicht, dass seine Begleiter/innen die Antwort mithören: „Habe ich Sie richtig verstanden, dass ich in diese Diskothek nicht hereingelassen werde, weil ich einen türkischen Namen habe?“ Auch diesmal bejaht der Türsteher die Frage.
Auf den Beschwerdebrief des ADNB des TBB kommt es zu einem gemeinsamen Gespräch mit dem Geschäftsführer der Diskothek und unserem BF. Im Ergebnis zeigt sich der Geschäftsführer einsichtig und entschuldigt sich. Er unterbreitet dem BF ein „Freundschaftsangebot“: Am nächsten Abend steht er auf der Gästeliste, ein Tisch ist für ihn reserviert und er darf Freunde mitbringen. Leider wird er am nächsten Abend mit einer ähnlichen Einlasspraxis konfrontiert. Statt vom Angebot des Geschäftsführers zu profitieren, wird ihm und seinen Freunden, die ebenfalls türkischer Herkunft sind, der Einlass in die Diskothek verwehrt, da sie nicht auf der Gästeliste stehen. Einem weiteren Beschwerdebrief wegen der wiederholten Diskriminierung reagiert der Geschäftsführer nicht. Den Klageweg hält sich der Betroffene offen.
Nach dem AGG stellt die oben aufgezeigte Einlasspraxis der Diskotheken einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot dar. Gemäß § 19 AGG ist eine Benachteiligung u.a. aus Gründen der ethnischen Herkunft/ des Geschlechts bei der Begründung eines zivilrechtlichen Schuldverhältnisses unzulässig. Ausnahmen von der Gleichbehandlung sind nur dann zulässig, wenn dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Dem AGG zufolge kommen dabei Gefahren und Schäden in Betracht. (§ 20,1 Satz 1 AGG). Jedoch bleibt die ethnische Herkunft als einziges Merkmal auch hierbei im AGG geschützt. Im Zusammenhang mit der Nachtszene würde dies bedeuten, dass einer Person der Eintritt verweigert werden dürfte, der z.B. wegen einer Gewalttat ein Hausverbot ausgesprochen wurde. Jedoch ist der Generalverdacht gegenüber bestimmten Personengruppen, wie das obige Beispiel zeigte, keine gerechtfertigte “präventive Maßnahme”, sondern eine Ungleichbehandlung, wodurch die betroffene Person gemäß § 21 AGG Schadensansprüche geltend machen könnte.
Eine Besonderheit des AGG besteht darin, dass die von einer Ungleichbehandlung betroffenen Personen von einer so genannten Beweislasterleichterung profitieren (§ 22 AGG). So muss die beklagte Seite Beweise liefern, dass ihrerseits keine diskriminierende Handlung vorliegt, wenn es dem Kläger/der Klägerin gelingt Indizien zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines geschützten Merkmals nach dem AGG (§1 AGG) vermuten lassen. Schriftliche Dokumente, Zeug/innen oder so genannte Testing-Verfahren können als Indizien verwertet werden, die in einem Gerichtsverfahren ein hohes Gewicht haben könnten.
Bei dem Testing-Verfahren wird eine Vergleichsperson als Testperson eingesetzt, um zu überprüfen, ob ein Verhalten gegenüber einer Person, die ein bestimmtes Merkmal aufweist, gleichermaßen auch gegenüber der Vergleichsperson, bei der dies nicht der Fall ist, erfolgt. Das Testing kann somit eine Beweisgrundlage für eine Klage nach dem AGG schaffen. Ein Testing kann aber auch ganz persönliche Gründe haben, z.B. um für sich selbst eine Bestätigung bzw. Klarheit zu der gefühlten Diskriminierung zu finden. Auch Medien setzen Testings ein, um die Aussagen von Betroffenen zu überprüfen und auf Missstände hinzuweisen. Ein Testing kann diverse Formen haben. Unter den Testing-Varianten sind das telefonische, schriftliche und persönliche Testing die ersten, die in Erwägung gezogen werden. Die Entscheidung für eine Variante ist sicherlich kontextabhängig. So lässt sich vermuten, dass beispielsweise telefonische Testings sich besonders für die Wohnungssuche eignen. Möglicherweise könnte hierbei ein „ausländisch“ klingender Name oder Sprachakzent eine Ungleichbehandlung herbeiführen. Für die Sammlung von Indizien einer diskriminierenden Einlasspraxis von Diskotheken würde sich ein persönliches Testing besonders gut eignen.
Damit das Testing eine überzeugende Aussagekraft für die Öffentlichkeit und das Gerichtsverfahren inne hat, ist ein hohes Maß an Vergleichbarkeit in allen denkbaren Gegebenheiten innerhalb der Testing-Situation erforderlich. Um dies sicherzustellen, sollte eine Art Checkliste als ein unterstützendes Mittel für die Vorbereitungsphase des Testings angefertigt werden. Eine Checkliste kann je nach Situation variieren. So sind die genannten Kriterien (siehe Testing-Checkliste) um weitere Aspekte sicherlich noch erweiterbar.
Zeitfaktor Testings sollten möglichst in einer eingegrenzten Zeitspanne erfolgen. So kann der Platzkontingenz einer Location, z.B. Wochentag oder Uhrzeit, als von der Geschäftsführung gebrauchtes Argument gegen eine Ungleichbehandlung ausgeschlossen werden. Profil der Testperson Testpersonen sollten unbedingt allen Kriterien der diskriminierten Person entsprechen, bis auf das betreffende Merkmal selbst, da sie überprüft werden soll. Meldungen zufolge sieht das allgemeine Profil von Personen, die von einer diskriminierenden Einlasspraxis besonders betroffen sind, folgender Maßen aus: Sie sind männlich und in der Regel unter 30 Jahre alt.
Es sind Vorkenntnisse in Bezug auf die Stammkunden oder das Besucherprofil (wenn sie denn existierten) einer Diskothek bzw. Beobachtungen vor der Diskothek erforderlich, um in etwa einschätzen zu können, ob in einer Location von einem so genannten „Dresscode“ gesprochen werden kann. So ließe sich einschätzen, ob ein bestimmtes Outfit den Einlass in die Diskothek (un)wahrscheinlicher macht. Dementsprechend sollten die Testpersonen versuchen, sich diesem äußeren Erscheinungsbild anzupassen. Auch sollten die Testpersonen auf „unauffällige“ Frisuren und Bärte achten. Viel wichtiger ist dabei, dass die Testpersonen und die Vergleichsperson „ähnlich“ aussehen.
Die Testpersonen sollten sich vor dem Eingang auf keinen Fall provozierend und/oder aggressiv verhalten, damit sie nicht der Belästigung oder sonstigen Störung des Betriebsablaufs bezichtigt werden können. Auch sollte für die eigene körperliche Unversehrtheit keine Diskussion mit dem Sicherheitspersonal eingegangen werden. Anforderungen an die Testpersonen Das Testing ist ein prozessorientiertes Verfahren, das ein strategisches Denken, Zeit und ehrenamtliches Engagement erfordert. Gerade im Hinblick auf einen möglichen bevorstehenden Gerichtsprozess, sollten die Testpersonen sich über die gesellschafts-politische Relevanz ihrer Handlung bewusst sein. Testpersonen sollten möglichst die Bereitschaft und die Kompetenz zeigen, sowohl das Testing-Verfahren, als auch die gesellschaftliche Dimension dieser Intervention eloquent zu beleuchten.
Je mehr Testpersonen oder Testgruppen in dem Testing-Verfahren mitwirken, desto stärker wird sicherlich die Aussagekraft einer Diskriminierung von bestimmten Personengruppen sein. Auch beobachtende Personen, die als Zeug/innen auftreten können, sind wichtig.
Zunächst sollten die Zielsetzungen, die intendierte Durchführung und die Namen der unterstützenden Institutionen des Testings in einer Art Absichtserklärung festgehalten werden. Unmittelbar nach dem Testing sollte ein Gedächtnisprotokoll der Testpersonen unter Angabe der Zeit, der Beschreibung der Reaktion des Sicherheitspersonals und der Beobachtenden angefertigt werden.
Für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit im Hinblick auf Diskriminierungen sind vertrauenswürdige und kompetente Partner/innen vonnöten. Gerade bei einem Verfahren wie dem Testing ist ein starkes Netzwerk erforderlich, das die Ziele und Notwendigkeit einer alternativen Präventions- und Interventionsstrategie gegen Diskriminierung in der Öffentlichkeit rechtfertig bzw. propagiert.
Stand: 2010