Möglichkeiten und Grenzen einer Beistandschaft nach § 23 AGG

Beitrag von Eva Maria Andrades (ADNB des TBB)

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sieht in § 23 u.a. vor, dass sogenannte Antidiskriminierungsverbände Benachteiligte in gerichtlichen Verfahren als Beistand in der Verhandlung unterstützen können.

Unter dem Begriff „Beistand“ sind Vertreter/innen von Antidiskriminierungsverbänden gemeint, die im Prozess den Kläger (Betroffene) beistehen und unterstützen. Sie sind nicht Prozessbevollmächtigte wie z.B. ein Anwalt oder eine Anwältin und können auch nur in der mündlichen Verhandlung ihre Befugnisse wahrnehmen. Das bedeutet konkret, dass Beistände für den Kläger/in etwas vortragen als auch Anträge stellen können. Das Gericht wertet das Gesagte des Beistands so, als hätte der/die Klägerin es selbst gesagt, solange sich die Aussagen nicht widersprechen.

Voraussetzung für eine Beistandschaft ist, ein Antidiskriminierungsverband zu sein. Um diesen „Titel“ zu erlangen müssen Vereine oder Verbände folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen mindestens 75 Mitglieder haben oder einen Zusammenschluss aus 7 Verbänden bilden, nicht gewerbsmäßig handeln und nicht nur vorübergehend entsprechend seiner Satzung die besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder Personengruppen wahrnehmen. Diese Formalien müssen aus der Satzung des Vereins oder des Verbandes ersichtlich sein. Eine formale Anerkennung als Antidiskriminierungsverband ist nicht erforderlich. Lediglich im Prozess selbst kann das Gericht, insbesondere wenn die Beklagtenseite dies bestreitet, prüfen, ob der Verein/Verband die Voraussetzungen des § 23 AGG erfüllt. Hier ist es sinnvoll eine Vereins-Satzung als Kopie mit dabei zu haben.

Nach Wegfall der europarechtswidrigen Beschränkung auf Verfahren ohne Anwaltszwang können Antidiskriminierungsverbände nun seit Juli 2008 auch in Anwaltsprozessen als Beistand auftreten, also in Prozessen, in denen der/die Kläger/in von einem Anwalt oder Anwältin vertreten werden muss ( so z.B. alle Verfahren vor dem Landgericht und Landesarbeitgericht).

Für Betroffenenorganisationen und –verbände, unter anderem auch für Migrantenselbstorganisationen bietet der § 23 AGG erweiterte Handlungsmöglichkeiten zur Unterstützung ihres Klientels. Die Erfahrungen des ADNB des TBB zeigen, dass Betroffene oft ihre Rechte nicht wahrnehmen. Dies liegt zum einen an den fehlenden Kenntnissen über ihre Rechte, aber zum anderen auch an der Angst vor den psychischen und finanziellen Belastungen, die solch ein Verfahren mit sich bringt. Daher ist zunächst eine wesentliche Aufgabe von Antidiskriminierungsverbänden, den Menschen Mut zuzusprechen, damit sie ihre Ängste und Bedenken überwinden, um sie dann in einem weiteren Schritt auf dem rechtlichen Weg und insbesondere im Prozess zu unterstützen und zu begleiten. Beistandschaft ist insofern ein Teil der Unterstützungsfunktion, die sie als Antidiskriminierungsverbände ausüben können.

Obwohl das AGG nun seit 2 Jahren besteht, gibt es bisher nur wenige (bekannte) Fälle von Beistandschaften im Sinne des § 23 AGG.

Dies liegt nicht nur an der relativ geringen Zahl von Klagen nach dem AGG, sondern sicherlich auch an den formalen Voraussetzungen der Beistandschaft, die ein Antidiskriminierungsverband erfüllen muss. Denn viele von den ohnehin wenigen Verbänden sind aus Bürgerinitiativen entstanden, arbeiten aus Mangel an finanzieller Förderung mit ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen und führen kein Mitgliedersystem wie größere Verbände. Daher scheitern diese Antidiskriminierungsverbände bereits an den formalen Voraussetzungen für die Unterstützung als Beistand. Die Vorgabe von mindestens 75 Mitgliedern oder Zusammenschluss aus 7 Verbänden stellt in der Realität eine Hürde dar, die letztlich der effektiven Rechtsdurchsetzung im Gleichbehandlungsrecht schadet. Für die Vereine und Verbände, die die formalen Voraussetzungen erfüllen würden, bedarf es einer Informations- und Sensibilisierungskampagne, denn das Wissen um das AGG und speziell um den §23 ist nicht weit verbreitet.

Aber auch inhaltlich gesehen sind die Befugnisse des Beistands für den effektiven Diskriminierungsschutz nicht ausreichend. So kann der Beistand aufgrund der fehlenden Prozessbevollmächtigung nicht wie ein/e Anwält/in agieren, sondern steht dem Betroffenen lediglich unterstützend zur Seite.

Dass die Unterstützung, auch wenn sie rechtlich eingeschränkt ist, sinnvoll sein kann, hat der ADNB des TBB bereits in zwei Prozessen erfahren können:

In einem Fall wandte sich eine Betroffenen an unsere Beratungsstelle, da sie in einem Bewerbungsverfahren wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert wurde.

Nachdem unsere Intervention erfolglos blieb, klagte die Beschwerdeführerin gegen den Arbeitgeber auf Entschädigung nach dem AGG. Sowohl in der gescheiterten Güteverhandlung als auch in der Hauptverhandlung war der ADNB des TBB als Beistand vertreten und stand der Klägerin nicht nur wörtlich „zur Seite“, sondern konnte vor Gericht zu dem Fall vortragen und die Klage damit argumentativ unterstützen.

Dabei war ganz wesentlich, dass der ADNB des TBB die Klage nicht nur im Prozess unterstützen konnte, sondern dass es bereits im Vorfeld eine enge Zusammenarbeit mit der Rechtsanwältin gab. Häufig haben Anwält/innen noch wenig Erfahrungen mit dem AGG, so dass wir, sei es durch eigene Unterstützung und Expertise oder durch Vernetzung mit anderen Kolleg/innen oder Instituten, hier behilflich sein können.

Da wir die erste Anlaufstelle der Kläger/in sind und eine Diskriminierung nicht nur rein rechtlich betrachten, sondern die Betroffenen auch in ihrer Verzweiflung, Wut und Ohnmacht versuchen aufzufangen, besteht sicher ein anderes Vertrauensverhältnis der Betroffenen zu uns als zu den Anwält/innen. Die Tatsache, dass wir an dem Prozess teilnehmen und Ihnen unterstützend zur Seite stehen, haben die betroffenen Kläger/innen als sehr positiv und hilfreich empfunden. Und auch die Anwält/innen haben sich positiv über unsere Beteiligung am Prozess geäußert. Man kann diese Unterstützung im Verfahren, neben der Möglichkeit seine Position und Argumente darzustellen und so zum Erfolg der Klage beizutragen, im weitesten Sinne auch als eine Form des Empowermentprozesses verstehen.

Letztlich kann aber eine rein unterstützende Funktion der Antidiskriminierungsverbände im Prozess nicht ausreichen. Im Interesse eines wirksamen Antidiskriminierungsschutzes sollte daher den Antidiskriminierungsverbänden die Möglichkeit der Verbandsklage eingeräumt werden, wie es z.B. auch im Behindertengleichstellungsgesetz und im Verbraucherschutz besteht. Dadurch könnten die Verbände den Betroffenen das Prozessrisiko und damit auch Kostenrisiko abnehmen. Aber auch um gegen strukturelle Diskriminierungen vorgehen zu können, ist ein Verbandsklagerecht unabdingbar. Verbandsklagen können durch ihre Signalfunktion und ihre Öffentlichkeitswirkung zum Aufbau einer gesellschaftlichen Antidiskriminierungskultur beitragen.

Die Möglichkeiten, die der Gesetzgeber im AGG zur Unterstützung von Betroffenen vorgesehen hat, sind sehr begrenzt. Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass den Verbänden mehr Rechte zugesprochen werden, da ihnen als Anlaufstelle für Betroffene eine wichtige Rolle im Kampf gegen Diskriminierung zukommt.

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